Donnerstag, 19. März 2015

Fallbeispiel Marco

Fallbeschreibung „Marco“
Der 19-jährige Marco S. ist beim Jugendgericht wegen mehrfachen Diebstahls angeklagt. Der Richter bittet die Sozialpädagogin von der Jugendgerichtshilfe ihren Bericht abzugeben. Hier eine Zusammenfassung ihrer Stellungnahme:
Marco ist das jüngste von sechs Kindern. Die Mutter war schon vor der Geburt von Marco durch die fünf Kinder und die Probleme, die sich aus der Alkoholkrankheit ihres Mannes ergaben, überfordert. Die zusätzlichen Anforderungen, die der unerwünschte Familienzuwachs mit sich brachte, führten zu einer weiteren Verschlechterung der Familiensituation. So entstanden immer häufiger aggressive Konflikte zwischen den Eltern und auch der Haushalt verwahrloste zusehends. Das Jugendamt wurde durch Nachbarn auf die Situation aufmerksam gemacht. Bei einem Hausbesuch stellte eine Mitarbeiterin fest, dass Marco unversorgt in seinem Bettchen lag. Die Windeln waren schon längere Zeit nicht gewechselt worden, der Säugling war offensichtlich hungrig und schrie. Auf Nachfrage erklärte die Mutter, dass das Baby dauernd schreie und sie es daher in ein anderes Zimmer gelegt habe. Stillen würde sie zu viel Zeit kosten, schließlich müsse sie sich ja auch noch um die anderen Geschwister kümmern. Die Flaschenkost vertrage Marco nicht gut, weshalb das Füttern immer ein „Theater“ sei. Der „Balg“ habe ihr gerade noch gefehlt – jetzt, wo die anderen doch endlich aus dem Gröbsten ’raus seien. Bei mehreren Hausbesuchen zeigten sich eine überaus problematische Situation der Familie und ein grober Umgang mit dem Säugling. Im Einvernehmen mit den Eltern wurde Marco schließlich im Alter von drei Monaten in eine Pflegefamilie gegeben. Marco war ein „Schreikind“, was dazu führte, dass sich die Pflegefamilie der Aufgabe bald nicht mehr gewachsen fühlte und sich bereits nach einem halben Jahr entschloss, in wieder abzugeben. Der erst neun Monate alte Junge wurde kurzfristig in einem Heim untergebracht. In dieser Zeit gaben die Eltern Marco auch zur Adoption frei. Das Ehepaar Kern hatte schon immer den sehnlichen Wunsch nach einem Kind. Da sie keine leiblichen Kinder bekommen konnten, entschieden sie sich schon sehr früh für eine Adoption. Sie informierten sich bei den zuständigen Stellen über alles, was für ein Adoptionsverfahren wichtig ist und ließen sich von verschiedenen Seiten fachlich beraten, zudem besuchten sie regelmäßig eine Interessensgruppe für adoptionswillige Eltern. Nach drei Jahren Wartezeit war eine Adoption zum Greifen nahe. Sie wollten ein kleines Mädchen, das sie bereits seit mehreren Monaten als Pflegeeltern betreuten, adoptieren, doch die leiblichen Eltern zogen ihr Einverständnis zur Adoption in letzter Minute zurück und holten das Kind wieder zu sich. Für das Ehepaar Kern war das eine sehr schwere Zeit, aber sie ließen sich nicht entmutigen und bemühten sich weiter um ein Adoptivkind. Mit der Adoption des einjährigen Marco ging für das Ehepaar schließlich ein Traum in Erfüllung.
Frau Kern gab ihren Beruf auf, um sich ganz dem Kind widmen zu können. Das Ehepaar Kern war stets bereit, seine eigenen Interessen zurückzustellen, um die Ansprüche des Jungen zu erfüllen. Der Junge bekam zum Beispiel jedes Spielzeug, das er sich wünschte. Die Ansprüche des Kindes wurden aber mit zunehmendem Alter immer fordernder. Marco fiel öfter dadurch auf, dass er den anderen Kindern die Dinge einfach wegnahm, die er haben wollte; oft kam es daher auch zu Prügeleien. Seit seinem 14. Lebensjahr gehörte Marco nun zu einer Clique, deren Mitglieder oft negativ auffallen, weil sie Leute anpöbeln, Autos beschädigen oder auch Sachen „mitgehen“ lassen. Nach dem letzten Diebstahl befragt, antwortete Marco dem Richter, dass der Bestohlene in der Disco mit seinen großen Geldscheinen im Geldbeutel geprahlt habe. Da habe er sich vorgestellt, was er sich von dem Geld alles kaufen könne. Er habe zunächst nicht vorgehabt, den „Typen“ zu bestehlen, aber als dieser den „gefüllten Geldbeutel“ auch noch unbeaufsichtigt auf dem Tisch liegen ließ, habe er zugegriffen. Er konnte gar nicht anders. Ein schlechtes Gewissen habe er wegen des Diebstahls nicht, schließlich treffe es ja keinen Armen.

Aufgaben zur Fallbeschreibung Marco:
  1. Das Ehepaar Kern zeigte eine starke Motivation ein Kind zu adoptieren.
Beschreiben Sie die Merkmale von Motivation und verdeutlichen Sie diese am Beispiel der Motivation des Ehepaars Kern ein Kind zu adoptieren.

  1. In der Erziehung von Marco wurden einige Fehler gemacht.
    1. Beschreiben Se auf der Basis der Theorie der psychosexuellen Entwicklung nach Sigmund Freud die Erziehungsfehler, die im ersten Lebensjahr bei Marco begangen wurden.
    2. Erklären Sie auf der Grundlage dieser Theorie die Auswirkungen dieser Erziehungsfehler auf Marco.


  1. Das Instanzenmodell von Sigmund Freud ist geeignet, die Struktur der menschlichen Persönlichkeit zu beschreiben.

Stellen Sie auf der Grundlage des Instanzenmodells das dynamische Zusammenspiel der Persönlichkeitsinstanzen dar und verdeutlichen Sie diese theoretischen Annahmen am Beispiel des Diebstahls, von dem Marco dem Richter erzählt.


Aufgabe 1).
Die Motivation des Ehepaares Kern,  bezog sich darauf das Kind in seiner Not zu helfen und das Befriedigen des eigenen unerfüllten Kinderwunsches. Voller Begeisterung und Idealismus übernimmt das Ehepaar Kern die Verantwortung für Marco. 

Aufgabe 2).
Nach Freud wird das Verhalten und das Erleben eines Menschen immer durch frühere, teilweise frühkindliche Erfahrungen und Erlebnisse beeinflusst. Dies geschieht meist unbewusst. Freud sieht den Menschen außerdem als ein Wesen, dessen Verhalten durch Triebe erzeugt und gesteuert wird. Triebe im psychoanalytischen Sinn bezeichnen eine psychische Kraft, die darauf ausgerichtet ist, Bedürfnisse zu befriedigen. Dadurch wird menschliches Erleben und Verhalten, aktiviert und gesteuert. Im Fallbeispiel bestehen Marcos Bedürfnisse zunächst darin versorgt zu werden und Zuwendung zu erfahren. Diese Bedürfnisse werden jedoch von seiner überforderten Mutter nicht befriedigt, vor allem da Marco unerwünschter Nachwuchs war: Sie wechselt die Windeln nicht regelmäßig, ließ den Säugling ungestillt und schreiend zurück und fütterte Marco wenn, dann nur mit Flaschenkost, die er nicht gut vertrug.

Marco kann sich nicht mit Regeln und gesellschaftlichen Normen auseinander setzen, er erlebt das familiäre Zusammenleben seiner Adoptivfamilie und versucht mehr und mehr Kontrolle über diese zu erhalten. Er identifiziert sich nicht mit der Familie als Kollektiv. Außerdem entstehen aus diesem inneren Konflikt Rivalitäten und Aggressionen gegenüber Anderer.

Aufgabe3).
Das Es ist der älteste und vollkommen unbewußte Teil des Seelenlebens: “Sein Inhalt ist alles, was ererbt, bei Geburt mitgebracht, konstitutionell festgelegt ist, vor allem also die aus der Körperorganisation stammenden Triebe”. Die Triebe und seelischen Vorstellungen unterliegen im Es dem Lustprinzip und verhalten sich nicht logisch, zeitlos und trotzdem widerspruchsfrei. 
Bei dem Fallbeispiel hat das Es, das Ich unterdrückt, sodass eine Verzerrung der Realität wahr genommen werden konnte und offensichtlich eine ausgeprägte Ich-Schwäche vor liegt.

Im Laufe der Entwicklung des Kindes bildet sich das Ich als der Teil des “Seelenlebens” heraus, der im Kontakt mit der Außenwelt steht und das Verhalten direkt steuert. Ein Teil des Ich ist bewußt, ein anderer  vorbewußt, ein dritter unbewußt (darunter fallen die Abwehrmechanismen). Dem Ich kommt die Aufgabe zu, zwischen den Ansprüchen der Außenwelt und denen des Es zu vermitteln, um eine geeignete Form der Triebabfuhr zu erreichen.. Dabei unterliegt es dem Realitätsprinzip. 
Bei dem Fallbeispiel fand eine Realitätsverzerrung durch das Es statt, wobei zu dem bereits eine Persönlichkeitsstörung durch vorher ergangene Erziehungsfehler vorliegt. Marco ist sich keiner Schuld bewusst, er hat besten Gewissens gehandelt.

Noch später in der Entwicklung entsteht das Über-Ich als Sitz des Gewissens und des Ich-Ideals (Vollkommenheit) einer Person. Es entsteht aus der Übernahme der Moralvorstellungen und Normsetzungen der Eltern während der Zeit des Ödipuskomplexes in der phallischen Phase.
Bei dem Fallbeispiel hat Marco entweder ein abgestumpftes Gewissen, also quasi eine Fehlentwicklung des Über-Ichs oder war sich wirklich nicht bewusst, dass er ´´falsch´´ gehandelt hat, also widersprüchlich nach bestem Gewissen.

Selbst wenn es sich bei diesem Fallbeispiel um einen Richterlichen Prozess im Anschluss handeln sollte, würde ich zu einer Strafminderung tendieren, mit der Voraussetzung, dass sich Marco in psychiatrischer Behandlung begibt, da offensichtlich eine Persönlichkeitsstörung vor sich liegt.


Grüße Puchi ;)

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